Springe direkt zu Inhalt

Die Habilitation Emmy Noethers

Dr. Cordula Tollmien

„Ich möchte wünschen, dass nachdrücklich betont werden möchte, dass es sich bei Frl. Noether vorerst um eine Ausnahme handelt“* – die Auseinandersetzungen um die Habilitation von Frauen an preußischen Universitäten

Es brauchte drei Anläufe und einen politischen Systemwechsel, bis der am 20. Juli 1915 gestellte Antrag Emmy Noethers auf Habilitation schließlich im Mai 1919 positiv entschieden wurde und sie am 4. Juni 1919 ihre Probevorlesung halten konnte. Die Auseinandersetzungen um ihre Habilitation erlauben aufschlussreiche Einblicke in die Abwehrmechanismen, die innerhalb der universitären Korporation und der Kultusbürokratie gegen Außenseiter - seien es Frauen oder etwas mehr als zwei Generationen zuvor Juden - wirksam waren. Wie schon sechzig Jahre zuvor bei den Juden hatte das Kultusministerium auch bei den Frauen seine ablehnende Haltung gegen deren Habilitation durch eine Umfrage bei allen preußischen Universitäten zu legitimieren versucht. Obwohl oder auch weil das Ergebnis dieser im Januar 1907 auf den Weg gebrachten Umfrage keineswegs so eindeutig war, wie der Minister dies in seiner Zusammenfassung glauben machen wollte, führte diese zu dem ministeriellen Verbot vom 29. Mai 1908, das bis 1919 die Grundlage der Ablehnung aller Frauenhabilitationen in Preußen (auch der von Emmy Noether) bildete. Nach dem historischen Umbruch 1919, der auch die Frage der Habilitationen formal zugunsten der Frauen regelte, standen deren akademischen Karrieren dann vornehmlich informelle, in der Regel nur schwer nachweisbare Methoden der Diskriminierung entgegen.

 

* leicht modifiziertes Zitat aus dem Habilitationsgutachten für Emmy Noether von Woldemar Voigt, 8.8.1915.